Linsenger(i)ücht von EVI LEUCHTGELB
Laut meiner Recherchen war Obertrum 1949 Drehort für den Film Der Seelenbräu nach einem Roman von Carl Zuckmayer, in dem viele Obertrumer Bürger*innen als Statist*innen mitwirkten. Mehr als 70 Jahre später wird Obertrum und seine Bewohner*innen erneut zu Kulisse und Schau.Platz ungewöhnlicher Inszenierungen und Geschichten im Miniaturformat. Erster “Drehort” ist das Heimatmuseum, in dem ich mich auf die Suche nach alten Ansichten des dörflichen Lebens mache. Diese alten Bilder und Stills aus dem Film Der Seelenbräu werden in weiterer Folge mit aktuellen Aufnahmen, gefundenen Bildern, Zeichnungen u.ä. zu neuen un(möglichen) Obertrumer Illusionen überlagert und verknüpft. Wie auch die Filmindustrie seit jeher versucht geschickt Tatsache und Fiktion zu vermischen, verschwimmen in meiner Arbeit Zeitebenen, Klischees, Örtlichkeiten oder Verhaltensmuster und werden in der (alten Bräu-) Traumfabrik neu präsentiert.
Basierend auf dem Prinzip der Stereoskopie entwickle ich mittels handelsüblichen Diabetrachtern räumliche Bildüberlagerungen und Collagen, welche hängend im Raum zum individuellen Stereo(durch)blick einladen. Ich nutze in meiner Arbeit das Moment der Überblendung, inszeniere jedoch zwei unterschiedliche Abbildungen zu einem neuen Gesamtbild. Richtet man die Linsen der Diasichtgeräte exakt auf den eigenen Augenabstand ein, überlagern sich die Motive und erscheinen fast dreidimensional. Die kleinen Gucklöcher lassen eine gewisse Distanz zwischen Inhalt und Betrachter*innen entstehen, öffentlich zugänglich gleichzeitig aber doch nur sichtbar durch ein aktives Bekenntnis zur Schaulust.
Das Projekt “Linsenger(i)ücht” entsteht in Kooperation mit dem Heimatmuseum Obertrum am See.
Evi Leuchtgelb
Geboren 1980
Lebt und arbeitet im Dunkelsteinerwald/NÖ
2008 schloss ich mein Studium der bildenden Kunst – Bildhauerei/Transmedialer Raum an der Kunstuniversität mit Diplom ab. Seither selbständig tätig als bildende Künstlerin, Kunstvermittlerin und Waldpädagogin. Diverse Tätigkeiten im kulturellen Bereich u.a. in der Kunstmeile Krems, Zeitkunst NÖ, der Akademie der bildenden Künste und im ZOOM Kindermuseum.
Seit 2005 Leitung und Konzeption medienpädagogischer und künstlerischer Workshops.
Internationale Ausstellungstätigkeit u.a. in USA, Japan, Spanien, England, Ungarn, Kroatien, Deutschland, Polen und Österreich.
Mehrere Ankäufe durch private und öffentliche Sammlungen.
Künstlerinnenstatement
Zu den Hauptaspekten meiner künstlerischen Arbeiten zählen die Erforschung und Neuverhandlung menschlicher Verhaltensweisen, unterschiedlicher Realitäten, Zeiten, Scheinwelten und Mysterien.
Bildinhalte und Thematiken werden auf- oder übereinander collagiert, montiert, projiziert oder gezeichnet. Manchmal zufällig positioniert, meist aber sorgfältig ausgewählt, entstehen mittels Kontextverschiebung oder assoziativer Motivaneignung, aus bereits bestehendem Neuinterpretationen oder gänzliche Neudefinitionen.
Ich agiere als Alltagsforscherin und Erfinderin, nehme eine (selbst-)beobachtende Haltung ein, untersuche und hinterfrage alltägliche Verhaltensmuster, Aussagen oder Geräte und deren Funktionen, inszeniere oder erfinde Geschichte(n), eigne mir wissenschaftliche Arbeitsmethoden an und schlüpfe dabei in diverse Rollen. Sehr oft weisen meine Arbeiten spielerischen Charakter auf, binden den Zufall mit ein oder führen die BetrachterInnen durch Täuschung Witz und Ironie in die Irre.
“Auf humorvolle und leicht zugängliche Weise will Leuchtgelb zur Irritation von Gewohnheiten, die wir im eigenen Alltag zwar erleben, aber nicht thematisieren, anregen. Sie fordert auf, sich ein eigenes Bild zu machen, nicht den groben Pauschalisierungen und den populären Vereinfachungen Folge zu leisten, sondern genau hin zu sehen – um zu sehen, was es zu sehen gibt, in jeder Situation, in jedem einzelnen Fall wieder aufs Neue”.
(Mag. Andrea Fröhlich – Kuratorin)